Vom 30. Mai - 2. Juni 2024 finden in Ostróda, Polen die Bike-OL Europameisterschaften der Elite (EMTBOC) und der Junioren und Jugend (EJYMTBOC) statt. Die Schweiz geht mit einer rekordverdächtigen neunköpfigen Delegation an den Start. 

An Vorbildern für einen erfolgreichen Auftritt an der diesjährigen EM in Polen fehlt es den Athlet*innen des Bike-OL Kaders auf jeden Fall nicht: vor nunmehr 16 Jahren konnte die jetzige Nationaltrainerin Christine Schaffner an gleicher Stelle ihren zweiten von insgesamt fünf Weltmeistertiteln feiern. Mit Adrian Jäggi, Silas Hotz, Noah Rieder und Flurin Schnyder bei den Herren und Ursina Jäggi, Celine Wellenreiter und Jana Lüscher Alemany bei den Damen wuchs in der Zwischenzeit eine nächste hoffnungsvolle Generation heran, welche fähig scheint, die Nachfolge von Schaffner und dem unterdessen endgültig zurückgetretenen Simon Hellmüller anzutreten. Und mit Noé Henseler (Junioren) und Malin Röhrl (Jugend) steht die nächste schon in den Startlöchern.

Ausgeglichenes Herrenteam


Silas Hotz überzeugte in der Vorbereitung
mit einem Sieg in der Mitteldistanz in Armoy (F)

Das Herrenteam zeigte sich in den Vorbereitungsrennen intern sehr ausgeglichen, mit jeweiligen Ausreissern nach oben wie nach unten. «Meine EM-Vorbereitung verlief sehr turbulent. Sowohl an den Rennen (vom Schweizermeistertitel bis zur Aufgabe wegen Defekt war alles dabei), als auch abseits des Wettkampfgeschehens (Rahmenbruch, Bike aus dem Keller geklaut)», fasst beispielsweise Silas Hotz seine bisherige Saison zusammen. O-technisch wie physisch glaubt sich der Schafisheimer bereit, ist aber hinsichtlich mentaler Vorbereitung froh, dass «wir noch ein paar Tage in Polen haben, bevor die EM startet».


Noah Rieder entschied die Langdistanz in Sesto
Calende (I) zu seinen Gunsten

Trotz seiner erst 23 Jahre darf Noah Rieder schon zu den erfahrenen Teammitgliedern gezählt werden, was ihn aber nicht von einer in Radfahrerkreisen bekannten Gefahr bewahrte. «Ich habe mich anfangs Saison sehr gut gefühlt. Der Formstand ist seither leider wegen eines leichten Übertrainings etwas runter, die Motivation ist aber so hoch wie noch nie. Kartentechnisch habe ich mich seit letzter Saison stark entwickelt. Somit freue ich mich auf technisch anspruchsvolle Wettkämpfe, bei denen das fehlerfreie Navigieren im Mittelpunkt steht».

Der Jüngste des Herrenquartetts, Flurin Schnyder, absolvierte in der Vorbereitung eine wahre Tour d’Europe mit Rennen von Spanien über Litauen bis Polen und Frankreich, wobei er sich jeweils in einer blendenden Form zeigte. «Ich hoffe auf gute, solide Rennen. In meinem ersten Jahr in der Elite kann und will ich noch keine zu grossen Erwartungen haben, will mein Bestes geben und so gut vorbereitet wie möglich in die Rennen steigen», beschreibt der Berner seine Erwartungshaltung mit Verweis auf die entgegen der Vorbereitungsrennen höhere Leistungsdichte an den Titelkämpfen.

Bleibt noch der Routinier im Team, Adrian Jäggi: im bisherigen Verlauf der Saison zeigte er stabile Leistungen und «der Formaufbau sollte für die EM passen. Nach dem ersten Training auf der Karte heute freue mich riesig auf diese Wettkämpfe!».  Und hinsichtlich einer Besonderheit der Wettkämpfe in Polen teilt er die Einschätzung von Nationaltrainerin Schaffner (siehe dazu auch weiter unten). «Da das Querfahren in Polen erlaubt ist, wird es auch neue Optionen bei der Routenwahl geben. Diese werden nicht immer einfach zu treffen sein, da der Wald stellenweise schnell, teilweise aber auch sehr langsam sein kann». Jäggi ist jederzeit für einen Exploit bereit, obwohl ihm als leichtgewichtiger Kletterer das Gelände vielleicht nicht nur entgegen kommt. So sind beispielsweise für die Langdistanz auf der Idealroute 46,2 Kilometer nur 475 Meter Steigung angesagt, was faktisch gesehen einer eher flachen Strecke gleichkommt. Dennoch, dazu erwähnt Nationaltrainerin Schaffner nach einer ersten Rekognoszierung in Polen, dass «der Wald zwar flach, aber doch relativ wellig ist, das heisst man muss sicher gut auf die Höhenkurven achten».

Routine und Jugend im Damenteam


Back to the roots: 2008 begann die internationale
Karriere von Ursina Jäggi in Polen

Bei den Damen Elite sind mit Ursina Jäggi, Celine Wellenreiter und Jana Lüscher Alemany drei Fahrerinnen am Start. Sowohl Jäggi wie auch Wellenreiter sind jederzeit die Top-Ten, durchaus mit Ausreissern nach oben, zuzutrauen. So lieferten sie sich auch in den Vorbereitungsrennen immer wieder Duelle auf Augenhöhe. «Die EM rund um Ostroda / Stare Jablonki steht für mich auch ein wenig im Zeichen von back to the roots, da ich 2008 hier meine ersten internationalen Wettkämpfe im Bike-OL als Juniorin bestreiten durfte», meint Jäggi und unterstreicht damit, wie lange sie schon auf höchster Stufe aktiv ist. Diese Erfahrung half ihr auch «kleinere Unsicherheiten anfangs der Saison auf der kartentechnischen Seite (Abläufe etc.) immer mehr auszumerzen». Dem steht der jugendliche Elan der Aufsteigerin des letzten Jahres, Celine Wellenreiter gegenüber: «Nach einem nicht ganz wunschgemässen Start in die Saison stimmt mich der Gewinn meines ersten Schweizermeistertitels (Sprint) positiv, dass die Formkurve in die richtige Richtung zeigt. Ich freue mich nun die für mich neue Herausforderung, das erlaubte Querfahren in Polen in Angriff zu nehmen. Ich möchte technisch gut Bike-O machen und Posten für Posten nehmen». Für die dritte Schweizerin im Bunde, Jana Lüscher Alemany, sind es nach ihrem Nationenwechsel von Spanien die ersten Titelkämpfe für die Schweiz. «Ich freue mich sehr auf die EM. Die letzten Vorbereitungen mit dem Schweizer Team sowie die Bike-OL der Spanischen Meisterschaft haben mich bereit gemacht für diese Tage in Polen. In meiner zweiten internationalen Saison, der ersten mit dem Schweizer Team, werde ich alles geben», zeigt sie sich sehr motiviert.

Querfahren als unbekannte Komponente

Das von Jäggi und Wellenreiter angesprochene Querfahren bringt eine ganz eigene, für Schweizer Wettkämpfer*innen eher unbekannte Komponente ins Spiel, insbesondere das es auch schwer einzuschätzen ist (Zitat Bulletin der EM-Organisation: «Off-track riding speed may vary a lot»). Dazu noch einmal Christine Schaffner: «Man muss immer die Querrouten im Kopf behalten. Teilweise ist der Wald sehr offen, manchmal aber auch sehr grün mit viel Fallholz und Ästen. Für die Athlet*innen bedeutet dies, dass sie immer zwischen Umfahrungsrouten und Querfahren abwägen müssen. Für die Schweizer ist dies sicher ungewohnt, das heisst, sie müssen sich einerseits darauf einstellen aber auch aufpassen, dass man die Querrouten nicht unbedingt sucht», meint die Nationaltrainerin weiter, denn Querrouten seien natürlich auch viel heikler was Defekte und Fehler anbelangt. Die sichereren Routen sind demnach sicher die Strassen und Wege. Neben den gut ausgebauten Forststrassen gibt es aber auch «sehr, sehr viele kleine, nicht immer gut sichtbare Wege, bei welchen man gut aufpassen und bereit sein muss». Es sind gerade diese hilfreichen Inputs und Analysen der ehemaligen Spitzenfahrerin, welche das Team in der Vorbereitung schätzt.

Erfahrungen sammeln für die nächste Generation

In den Nachwuchskategorien steht mit Noé Henseler (Junioren) und Malin Röhrl (Jugend) schon die nächste Generation in den Startlöchern. Der 18-jährige Hubersdorfer bewies letztes Jahr mit seinem Jugend-Europameistertitel in der Mitteldistanz, dass man ihn im Auge behalten muss. Die nächsten drei Jahre muss er sich nun in der sicher kompetitiveren Juniorenkategorie etablieren und bestätigen. «Ich versuche in Polen mich in der neuen Kategorie M20 zurecht zu finden und wichtige Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln, da mir einerseits das Gelände nicht wirklich entgegenkommt und die Konkurrenz sehr stark ist. An den vergangenen Wettkämpfen in Italien und Frankreich hat sich gezeigt, dass ich in allen Disziplinen mit kleineren Abständen mithalten kann» meint Henseler und zeigt sich vorsichtig zuversichtlich, dass ihm dies auch gelingen kann. Malin Röhrl startet in der Jugendkategorie zu ihren ersten internationalen Titelkämpfen und aufgrund ihrer fehlenden Wettkampfroutine steht ganz sicher der Erfahrungsgewinn im Fokus.

Das Programm
Do 30.05.: Sprint (EMTBOC/WCup und EJYMTBOC)
Fr 31.05.: Langdistanz (EJYMTBOC), Massenstart (EMTBOC/WCup)
Sa 01.06.: Mitteldistanz (EMTBOC/WCup und EJYMTBOC)
So 02.06.: Staffeln (EMTBOC (Mixed Relay) und EJYMTBOC (Relay))

GPS und Liveresults:
https://orienteering.sport/event/cx80-world-cup-in-mtb-orienteering-round-1/welcome/
Offizielle Webseite des Veranstalters: https://emtboc.com/en

Das neunköpfige Team für die Bike-OL Europameisterschaften der Elite (EMTBOC) und der Junioren und Jugend (EJYMTBOC) in Polen ins Bild gerückt:

 

(Text: Thomas Bossi, Interviews: Sabrina Meister, Fotos: Beat Schaffner)