Im letzten Einzelrennen der WM, der Langdistanz, zeigten die Schweizer Herren eine stabile Mannschaftsleistung. Allerdings fehlte der ganz grosse Ausreisser nach oben und für einmal fuhren die Teamsenioren den Jungen den Rang ab. Bei den Frauen fuhr Ursina Jäggi als Beste des Teams auf Rang 14. Celine Wellenreiter musste das Rennen nach einer Magenverstimmung aufgeben

Die Langdistanz der Bike-OL Weltmeisterschaften 2024 hatte es definitiv in sich. Die Bahnleger stellten den Fahrer*innen auf und um dem von steilen Flanken umgebenen Shumen-Hochplateau eine auf den ersten Blick knifflige und vor allem kräfteraubende Aufgabe. Für das um schätzungsweise 800 nach Christus erbaute und eindrucksvolle Hankrumovski-Felsenkloster des Khan Krum, welches weiland in eine dieser Flanken gehauen wurde, hatten die Wettkämpfer*innen allerdings kein Auge übrig, galt es doch die 21 (Herren) bzw. 17 (Frauen) Posten des Parcours möglichst schnell und fehlerfrei hinter sich zu bringen. Allerdings waren die kartentechnischen Herausforderungen dann doch nicht ganz so herausfordernd, wie der interessierte Laie nach Studium der Bahnen feststellen durfte. Neben einigen wenigen grossen Routenwahlen galt es vor allem, die sich nur marginal voneinander unterscheidenden Routen sauber und reibungslos umzusetzen.

Auch heute war es allerdings nur partiell möglich, die Fahrer*innen über ein Live Tracking zu verfolgen, verloren sich doch die Signale viel zu oft in den Weiten des einstigen Zentrums des schon seit 1300 Jahren bestehenden bulgarischen Reiches (immerhin konnten in dieser GPS-freien Zeit alle historischen und geographischen Angaben dieses Textes zusammengetragen werden).

Zufriedenenes Herren-Team

Bei den Herren bedeuten Weltmeisterschaften 2024, wenn am Ende ein Tscheche an der Ranglistenspitze steht. Nach Jan Hasek (Sprint, Massenstart) und Krystof Bogar (Mittel), bodigte Vojtech Ludvik die Konkurrenz klar. Wie schon in den Tagen zuvor waren die Tschechen mit heute 5 Fahrern in den ersten 14 die dominierende Nation. Dahinter zeigte sich aber ein erfreulich durchmischtes Feld. Teilten sich in den letzten Jahren meist noch die Finnen die restlichen Plätze untereinander auf, fanden sich beispielsweise heute neun Nationen unter den ersten 15 Rängen. Darunter auch Adrian Jäggi auf Rang 15. „Ich hatte zu Anfang Mühe mit der Karte. Ich habe das Gelände anders wahrgenommen, als wie es auf der Karte eingezeichnet war. Das kostete mich vor allem zu Posten 5 etwa zwei Minuten“. Im Verlauf des Rennens fand er sich aber immer besser zurecht und war mit seiner Leistung und seinem Rang zufrieden.  

Auch Silas Hotz gelang heute wieder ein gutes Rennen und war mit Rang 18 nur wenig langsamer als der Team-Routinier. „Ich habe zwar nicht erwartet, dass wir so lange unten im Dorf und den Rebbergen unterwegs sein werden, aber sobald es in die Hügel ging, war es genauso wie erwartet“, meinte er nach dem Rennen.  „Bei den langen Verbindungsposten musste man einfach eine Route aussuchen und direkt fahren. Und es war enorm ruppig: man konnte nie so richtig gut „rollen“ und musste immer pushen, was mir recht gut gelang“.

Auf Augenhöhe mit Hotz war lange auch Noah Rieder unterwegs (23.). Gegen Ende verlor er aber ein wenig Zeit auf diesen, obwohl ihm kein grösserer Fehler unterlief. „Ich habe mich physisch auch schon besser gefühlt, obwohl, immer wenn ich auf meinen Fahrradcomputer geschaut habe eigentlich gute Wattwerte „gedrückt“ habe“. Vielleicht zehrte die anstrengende Woche mehr an den Kräften des noch jungen Athleten als angenommen. Dennoch, Rieder wagte gar einen Blick in die weitere Zukunft: „Ich freue mich auf die weiteren Rennen meiner Karriere. Ich habe das Gefühl, das kommt gut“, eine Einschätzung, die man als (beinahe) neutraler Beobachter nur teilen kann.

Eine ähnlich lange Karriere dürfte auch noch Flurin Schnyder vor sich haben. Auch er erwischte, mit einer Ausnahme, einen guten Lauf (Rang 27). „Bei der ersten grossen Routenwahl zu Posten 11 habe ich aber recht danebengegriffen mit meiner Entscheidung“. Anstelle der direkten Route ab durch die Mitte wählte er die westliche Umfahrungsroute, welche sich vor allem in der Steigungsverteilung und in der Länge unterschied und verlor rund viereinhalb Minuten. „Unterwegs habe ich eigentlich nicht gedacht, dass diese Route so schlecht sei, der Rest ist mir aber gut gelungen“, meinte Schnyder.

Spannend Staffel zu erwarten und Schweiz mit Aussenseiterchance

Schnyder wird morgen Sonntag auch die Startstrecke der Staffel absolvieren, zusammen mit Rieder und Jäggi. In einem sehr ausgeglichenen Team musste leider Silas Hotz über die Klinge springen. Zur Taktik meinte Schnyder, dass „ich versuchen werde, ein ruhiges Rennen zu fahren und mich nicht von den anderen Fahrern ablenken zu lassen“. Und der Fahrer auf der zweiten Strecke, Rieder, bestätigte dies, wurde aber hinsichtlich Erwartungshaltung ein wenig konkreter: „Auf den ersten zwei Strecken wollen wir sicher durchkommen um auf einer guten Platzierung an Schlussläufer Jäggi zu übergeben…und, wir wollen hier nicht zu viel spoilern, aber wir hoffen auf eine sehr gute Platzierung“. Viel Druck auch für Jäggi, welcher in seiner Einschätzung hinsichtlich der Stärken des Teams aber auch noch Silas Hotz erwähnt haben wollte. „Unser Team sind nicht nur wir, es besteht auch aus Silas, wir sind extrem nahe beieinander und eine Selektion ist immer schwierig. Von daher bin erst mal froh, dabei zu sein“, meinte er mit einer gewissen Erleichterung. „Aber wie gesagt, wir sind sehr ausgeglichen und haben alle unser Potential zumindest angedeutet. Wenn uns allen ein guter Lauf gelingt, liegt sicher viel drin“. Und auch Hotz wird definitiv versuchen, von der „Seitenlinie“ alles zu geben um das Team zu unterstützen.

Ermüdungserscheinungen im Frauen-Team  

Wie bei den Herren gewann bei den Frauen mit der Dänin Nikoline Splittorff eine Fahrerin, welche seit Jahren zu den grossen Dominatorinnen der Szene gehört. Auf Schweizer Seite gelang Ursina Jäggi heute ein Rennen „welches OK war, ich habe aber sicher die Routenwahl zu Posten 5 arg verbockt und verliere dort gegen 5 Minuten“. Was aber wohl ebenso entscheidend gewesen sein dürfte, war ihre physische Verfassung: „Wie Noah (Rieder) hatte auch ich heute nicht die besten Beine. Vor allem in den Steigungen hatte ich recht Mühe“, fasste sie ihr Rennen zusammen. Insgesamt kann sie aber mit dem 14. Rang und der gesamten WM zufrieden sein, dennoch bleibt das Gefühl zurück, dass gerade auch wegen ihrer guten physischen Verfassung in den Tagen zuvor mehr möglich gewesen wäre.

Celine Wellenreiters heutiges Rennen ist schnell erzählt. Vor rund zwei Tagen erwischte sie eine Magenverstimmung, von welcher sie sich noch nicht wieder ganz erholt hatte. Daher fehlte ihr die nötige Energie und sie hat, auch um im Hinblick auf die morgige Staffel „Körner“ zu sparen, das Rennen aufgegeben.

Die erste WM im Schweizer Dress für Jana Lüscher Alemany war sicher eine positive Überraschung. Wie bei Wellenreiter waren es vor allem die beiden ersten Läufe, welche ihr sehr gut gelangen. Auch heute in der Langdistanz war sie mit Rang 22 sehr gut unterwegs. Wie Jäggi misslang ihr aber die erste Routenwahl mit einem Zeitverlust von ca. 4 Minuten. „Ich habe mich aber physisch gut gefühlt und konnte drücken und beissen, auch wenn ich die Müdigkeit ein wenig spürte“. Dies schlug sich möglicherweise mehr in der Zeit nieder, als gedacht, war der Rückstand im Vergleich mit den anderen Rennen vielleicht ein wenig höher. Vor allem aber bleibt zu erwähnen, dass Lüscher in ihrem alten spanischen Team immer die Nase vorn gehabt hätte!

Damen-Staffel mit Diplom

Lüscher wird morgen selbstredend auch die Staffel fahren. „Ich bin gerade dabei die Fingernägel mit dem Schweizerkreuz anzumalen, dies ist aber sicher nicht die wichtigste Vorbereitung. Kartenstudium von heute (Anmerkung: die Staffel findet im Schlussteil der heutigen Langdistanz statt), ausruhen und bereit für morgen sein lautet die Devise“. Nicht in die Karten schauen liess sich Wellenreiter: „Wir hoffen, dass wir alle drei unsere Rennen gut durchbringen und dann sehen wir, zu was es reicht“. Und Jäggi hatte den beiden nichts hinzuzufügen. Dennoch, ohne sich allzu viel auf die Äste zu wagen: mit einem Diplom darf geliebäugelt werden.

Hier gehts zu den Resultaten

Als abschliessendes Rennen der WM bleibt die:

  • So 15. September Staffel

Wichtige Links:

(Text: Thomas Bossi, Interviews vor Ort: Marita Hotz, Startfoto: Kiril Panayotov (Mitteldistaz))