Die Schweizer Frauenstaffel gewinnt an den Bike-OL Weltmeisterschaften in Bulgarien zum Abschluss überraschend die Bronzemedaille. Massgeblichen Anteil an der Medaille hatte auf der Startstrecke der „Transfer des Jahres“, Jana Lüscher Alemany

Lange musste das Schweizer Frauen-Team auf solch einen Erfolg warten. Es gab auch Jahre, da aufgrund fehlender Fahrerinnen nicht einmal eine Frauen-Staffel nominiert werden konnte. Fern schienen die Zeiten, als die Staffeln um Ursina Jäggi, Maja Rothweiler und der heutigen Nationaltrainerin Christine Schaffner (2013 mit Claudia Hünig) in den Jahren 2011-2013 in dieser Reihenfolge Gold, Silber und Bronze einfahren konnten.

Und nun, da endlich wieder eine Staffel ohne die temporäre Unterstützung der eigentlich zurückgetretenen Christine Schaffner ins Rennen geschickt werden konnte, gleich so ein Coup: in der Besetzung Jana Lüscher Alemany, Celine Wellenreiter und Ursina Jäggi gewann die Schweiz hinter den favorisierten Däninnen und Finninnen, aber vor den als nominell stärker einzustufenden Tschechinnen, überraschend die Bronzemedaille.

Lüscher Alemany legt den Grundstein...

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Bronzemedaille! Jana Lüscher Alemany, Celine Wellenreiter
und Ursina Jäggi

Erfolg hat immer viele Gesichter: da ist sicher Ursina Jäggi, welche seit Jahren den Bike-OL Sport in der Schweiz prägt und nach ihrem Comeback beinahe wieder in alter Stärke auffährt. Und natürlich auch Celine Wellenreiter, welche erst auf letzte Saison voll auf die Karte Bike-OL setzt und mit ihren Resultaten bei den U-23 schon schöne Erfolge einfahren durfte. Das Gesicht des heutigen Erfolges ist aber Jana Lüscher Alemany. Die Schweizerin mit katalanischen Wurzeln, welche erst Anfang dieses Jahres vom spanischen ins Schweizer Team wechselte, zeigte schon die ganze Woche gute Fahrten und einen starken Aufwärtstrend. Just heute zeigte sie in der Staffel aber sicher ihren bisher besten Ritt im Schweizer Teamdress und konnte, inmitten der Favoritenteams, als 4. übergeben. Der Rückstand auf die drittplatzierten Tschechinnen beispielsweise betrug nur 2 Sekunden. „Ich wollte einfach sauber fahren, pushen und alles geben, was noch möglich war.“ Bis am Schluss realisierte sie nicht, wie gut sie unterwegs war: „Gegen Mitte des Rennens musste ich eine Gruppe ziehen lassen, habe sie dann aber später nochmals gesehen. Ich hatte bis am Schluss keine Ahnung, auf welcher Position ich ins Ziel kam bis mir dann gesagt wurde, dass ich als 4. übergeben habe“, meinte Lüscher.   

Zu diesem Zeitpunkt zogen die favorisierten Däninnen schon davon. Und auch die stärker einzuschätzenden Teams von Finnland und Tschechien waren vor der Schweiz rangiert. Was aber noch nicht gross auffiel, spielte der Schweiz in der Entscheidung wohl wortwörtlich in die Karten: es handelte sich dabei jeweils um die zweiten Teams der beiden Nationen und diese waren entsprechend auf den weiteren Strecken schwächer besetzt. Das erste Team der Tschechinnen fuhr auf der ersten Strecke bereits eine schlussendlich entscheidende Hypothek von 6 Minuten ein. Mit einem Zeitverlust von 3 Minuten erging es dem Premium-Team der Finninnen auf der zweiten Strecke nicht viel besser.

...Wellenreiter findet die optimale Balance...

Diese glückliche Konstellation musste aber auch noch ausgenutzt werden. Auf die Startfahrerin folgte Celine Wellenreiter: „Meinen ersten Zwischenfall und wohl grössten Zwischenfall hatte ich schon am Start, als ich bemerkt habe, dass ich den ersten Posten abgefaltet habe und so die Karte nochmals nachziehen musste. Da konnte ich von der gleichzeitig gestarteten Tschechin profitieren und bin ihr erst mal gefolgt und konnte mich dann schnell wieder orientieren“, kommentierte Wellenreiter den Beginn ihres Rennens. „Danach habe ich die Tschechin überholt, da sie mir ein wenig zu langsam war. Von da an war ich alleine unterwegs und fand sehr gut die Balance zwischen Hochgeschwindigkeits-Abschnitten und Passagen, in denen es nötig war, Tempo zur Feinorientierung rauszunehmen.“ Mit dieser soliden Fahrt brachte Wellenreiter sich und das Team auf den 2. Platz und übergab an die durch viele Staffel-Einsätze erprobte Ursina Jäggi.

...und Jäggi behält die Nerven

Und deren Nerven hielten der Belastung stand. Zwar hatte sie der Sturmfahrt der Finnin Ruska Saarela, welche beinahe 4 Minuten aufholen konnte, nichts entgegenzusetzen, fuhr aber dennoch als umjubelte Bronzemedaillengewinnerin ein. „Ich hatte einen guten Start ins Rennen, war eine Zeit lang mit der Finnin unterwegs.“ Zu Posten 6 unterlief ihr dann ein kleiner Fehler, den sie aber schnell korrigieren konnte. „Von da an fing bei mir ein wenig das Nervenflattern an, auch weil ich gewusst habe, dass wir gut unterwegs waren. In der Folge unterliefen mir, trotz Sicherheitsrouten noch ein paar Fehler.“ Zwischenzeitlich fiel sie sogar noch auf Rang 4 zurück, konnte aber schlussendlich, wohl auch aufgrund anderer Gabelungen auf der Schlussschlaufe, auf den Bronzemedaillenplatz vorstossen. „Wir haben sicher nicht damit gerechnet, das Ziel war ein Diplomplatz, wussten aber, dass es mit viel Schützenhilfe klappen könnte mit einer Medaille, darum ist es natürlich umso schöner“. Der Vorsprung auf die von hinten noch schneller heranstürmende Tschechin Tichovska war mit einer Minute beruhigend, dennoch: ohne die Parforce-Leistung von Lüscher und dem Ausrutscher der tschechischen Startläuferin wäre dies noch ganz knapp geworden. Aber hey, erstens kommt unverhofft oft und zweitens soll man die Feste feiern, wie sie fallen.

Trotz Nichtklassierung eine gute Leistung des Herren-Teams

Mit grossen Ambitionen gingen auch die Herren mit Flurin Schnyder, Noah Rieder und Adrian Jäggi ins Rennen. Doch leider wurden diese Pläne schon auf der ersten Strecke durchkreuzt, kehrte doch Schnyder mit einem Fehlstempel zurück. „Ich habe leider nicht viel Gutes zu berichten. Ich habe eigentlich ein gutes Rennen gehabt, aber wenn man es verpasst, bei jedem Posten zu kontrollieren, ob er quittiert wurde, bringt die beste Leistung nichts. Schade für meine Teammitglieder, welchen gute Rennen gelungen sind“, zeigte sich Schnyder zerknirscht und sehr enttäuscht. „Natürlich kann das passieren, sollte aber nicht, insbesondere wenn man für einen anderen selektioniert wird“.  

Noah Rieder, welcher von diesem Missgeschick bei seiner Fahrt noch nichts wusste, zeigte wie immer ein beherztes Rennen und verbesserte sich vom 9. auf den (fiktiven) 6. Platz. „Nein, ich habe nichts gewusst vom Fehlstempel, dies war aber gut so, dann konnte ich noch richtig kämpfen. Es war ein cooler und spassiger Lauf, in welchem ich eine Zeit lang sehr schnell mit dem Finnen Pokola unterwegs war. Ausser einer kleinen Missinterpretation der Karte, wo ich ein wenig Zeit kassierte, gelang mir ein guter Lauf“. Danach wurde ihm aber in der Zielquarantäne die Nachricht vom Fehlstempel von Schnyder überbracht. „Dies gilt es abzuhaken und wir müssen nach vorne schauen. Jetzt sollten wir uns vor allem für das Frauen-Team freuen“, meinte Rieder später.

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Gesamtes Team nach einer erfolgreichen WM, v.l.n.r. Christine Schaffner, Marita Hotz,
Silas Hotz, Jana Lüscher Alemany, Flurin Schnyder, Celine Wellenreiter, Noah Rieder,
Ursina Jäggi, Adrian Jäggi

Auch Adrian Jäggi wusste noch nichts von der Disqualifikation (sonst hätte er streng genommen nicht mehr starten dürfen) und ihm gelang ein gutes Rennen: „Ich bin sehr gut durchgekommen und bin sehr zufrieden. Ich habe das Rennen noch nicht ganz analysiert, aber ich denke, auch die Routenwahlen immer gut getroffen zu haben“. Dank seiner Leistung hätte er sein Team noch auf den 5. Platz vorgefahren. „Nach drei Medaillen in Folge haben wir natürlich auch ein wenig damit geliebäugelt, aber Simi fehlt halt schon“, konstatierte Jäggi und verweist damit auf den im letzten Jahr zurückgetretenen Überflieger der Bike-OL Szene Schweiz, Simon Hellmüller. Andererseits muss erwähnt werden, dass gerade die Schweiz bei den erwähnten Medaillengewinnen bisweilen auch von ähnlichen Missgeschicken anderer Nationen profitiert hatte, so dass auch der heute mögliche 5. Platz durchaus einen ehrenvollen Platz im Palmares gefunden hätte. Wie auch immer, das verpasste Diplom wäre sicher eine schöne Belohnung für eine insgesamte solide Leistung des Herren-Teams an den diesjährigen Titelkämpfen gewesen.

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Wichtige Links:

(Text: Thomas Bossi, Interviews vor Ort: Marita Hotz, Startfoto: Adrian Jäggi)